Feuchtgebiete (2013)

Originaltitel

Land/Jahr

Genre

Laufzeit

 

Regie

Drehbuch

Darsteller

Feuchtgebiete

Deutschland; 2013

Drama, Komödie

109 min

 

David Wnendt

Claus Falkenberg, David Wnendt

Carla Juri, Peri Baumeister, Meret Becker, Fred Aaron Blake, Marlene Kruse, Anna König, Christoph Letkowski

 


Als Charlotte Roches Roman „Feuchtgebiete“ 2008 veröffentlicht wurde, sorgte er für ordentlich Wirbel. Viele negative Stimmen wurden laut, welche die Freizügigkeit des Geschilderten skandalös fanden und öffentlich anprangerten. Daher eröffnet auch die Verfilmung mit einem Zitat einer kritischen Abhandlung des Buches. Im Regiestuhl Platz genommen hat der Deutsche David Wnendt, der uns ja bereits 2011 in seinem Film „Kriegerin“ eine starke Frauenfigur näher brachte. In der Hauptrolle zu sehen ist die Schweizerin Carla Juri, welche in der Schweiz bisher für ihren Auftritt im Film „Eine wen iig, dr Dällebach Kari“ Bekanntheit erlangte und nach mehreren Auftritten in deutschen Produktionen 2013 die Auszeichnung ‚Shooting Star’ als Nachwuchsschauspielern erhielt. Doch ist der Film genauso skandalös wie seine Vorlage?

Wie romantisch doch ein Foto von einem Anus sein kann
Wie romantisch doch ein Foto von einem Anus sein kann

Helen Memel (Carla Juri) ist 18 Jahre alt und liegt, nachdem sie sich beim rasieren eine Analfissur zugezogen hat, auf der proktologischen Abteilung im Krankenhaus. Hier beginnt sie über ihr bisheriges Leben zu reflektieren, erinnert sich an ihre Experimente mit Drogen und die Trennung ihrer Eltern und erzählt ausgiebig über den Umgang mit ihrem eigenen Körper, Hygiene und diversen Sexualpraktiken. Weil sie sich insgeheim wünscht, dass ihre Eltern wieder zueinander finden, versucht sie die beiden im Krankenhaus aufeinander treffen zu lassen; und auch sie selbst hat auf den netten Pfleger Robin (Christoph Letkowski) ein Auge geworfen, weshalb sie einiges daran setzt um noch länger im Krankenbett bleiben zu können.

 

Über 1.3 Millionen Mal verkaufte sich das Buch „Feuchtgebiete“ und wurde für Charlotte Roche schon beinahe zu einer Last. Im Vorfeld zur Verfilmung gab sie nun bekannt, dass es sie freue, dass ihre Figur Helen nun endlich ein anderes Gesicht bekäme als ihr eigenes, nämlich das von Carla Juri.

Und tatsächlich geht die junge Darstellerin in ihrer Rolle auf und gibt eine äusserst überzeigende Helen ab, obschon sie mit ihren 27 Jahren doch nicht mehr ganz wie 18 aussieht. In sauberem Hochdeutsch führt sie den Zuschauer durch die Handlung, die tatsächlich äusserst freizügig gestaltet ist. Da wird nicht nur von diversen Körperflüssigkeiten und Geschlechtsteilen gesprochen sondern auch munter fröhlich einiges direkt gezeigt. Dies mag uns, die wir an die prüden amerikanischen Produktionen gewöhnt sind in denen alles, was auch nur im Entferntesten mit Sexualität zu tun hat, nur angedeutet gezeigt werden darf, durchaus vor den Kopf stossen, doch erfrischt diese Offenheit auch, schweift sie doch nie ins Pornografische ab.

Feine erotische Züge sind zwar auszumachen doch durch die Direktheit der Bilder und unserer Erzählerin wird vieles auch sogleich entzaubert und meistens kippt es bald ins Eklige. Man sollte daher doch nicht allzu empfindlich sein, was die Abhandlung von Sexualpraktiken anbelangt, denn was das Experimentieren mit Körperflüssigkeiten angeht, setzt Helen auch immer wieder einen drauf. Popcorn und Eis sind im Kino nur mit Vorsicht zu geniessen.

 

Den Film jedoch als widerwärtig zu bezeichnen täte ihm unrecht, denn tatsächlich inszeniert Regisseur David Wnendt das Ganze mit einer spielerischen Leichtigkeit, welche die Geschichte Helens beinahe selbstironisch reflektiert. Diesen aufkeimenden Humor paart er mit oft malerischen Aufnahmen, die im Schnitt gut miteinander kombiniert wurden und durch den Soundtrack eine zusätzlich positive Note erhalten.

Genauso sei die computeranimierte Eröffnungssequenz zu loben, in der die Kamera in Grossauflösung durch die farbige Welt von Mikroorganismen auf einem Toilettensitz fährt.

 

Probleme besitzt der Film dennoch ein paar. Sich wirklich mit der Hauptfigur zu identifizieren und sich auf ihre Weltanschauung einzulassen fällt doch eher schwer und so stolpert man als Zuschauer von einer grotesken Überraschung zur nächsten. Dabei verschiesst der Film besonders zu Beginn schon einiges an Pulver, wodurch es mit zunehmender Handlung immer schwieriger Fällt den Zuschauer noch einmal wachzurütteln und zu schockieren. Auf einen wirklichen Höhepunkt steuert die Handlung ebenfalls nicht zu und hinterlässt das Publikum am Ende etwas ratlos, kann man doch ausser einem leicht flauen Gefühl und manch bleibendem Ekelbild (sei es nun was Pizzas von Lieferdiensten oder Grillzangen anbelangt) nicht viel aus dem Kinosaal mitnehmen.

 

Fazit:

Die Verfilmung von Charlotte Roches Bestseller wird den Fans des Buches sicherlich gefallen. Ihn als Skandalfilm zu bezeichnen wäre aber zu hoch gegriffen. Vielmehr ist David Wnendts filmische Umsetzung des literarischen Stoffes ein leicht ironisches, selbstreflektierendes Werk, das an manchen Stellen sicherlich provoziert, durch die gute Regie, Schnitt, Soundtrack und der begeisternden Hauptdarstellerin, von der man sicher noch hören wird, aber über lange Strecken zu gefallen weiss. Mit zunehmender Laufzeit verliert das Werk dann leider etwas an Fahrt und ringt gegen Ende um die Aufmerksamkeit der Zuschauer, da die Identifikation mit vielem, was die Hauptfigur so von sich gibt, doch schwer fällt. Es gilt: Wer mit dem Buch nichts anfangen konnte, wird sicherlich auch den Film nicht mögen; oder wie Helen sagen würde:

Wenn man Schwänze, Sperma und andere Körperflüssigkeiten ekelhaft findet, kann man es mit dem Kinogang auch gleich bleiben lassen.

 

Bewertung: 6/10

Autor | Yves Albrecht

 

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