Nichts als die Wahrheit (1999)

Originaltitel

Land/Jahr

Genre

Laufzeit

 

Regie

Drehbuch

Darsteller

Nichts als die Wahrheit

Deutschland; 1999

Drama, Thriller

129 min

 

Roland Suso Richter

Johannes W. Betz, Christopher Riley, Kathleen Riley

Kai Wiesinger, Götz George, Karoline Eichhorn, Doris Schade, Peter Roggisc, Bastian Trost

 

 


Für deutsche Filmemacher ist es sehr schwierig einen objektiven und kritischen Film über Nationalsozialismus zu drehen. Wenn sie die abscheulichen Taten nur im Mindesten zu rechtfertigen versuchen, wird ihnen sogleich Verleugnung der Schreckenstaten vorgeworfen. Gehen sie diesem Aspekt aber aus dem Weg, ist der Film oft gespickt mit Klischees und regt weder zum Nachdenken an, noch bleibt er wirklich in Erinnerung.

Eine Ausnahme stellt hier „Nichts als die Wahrheit“ von Roland Suso Richter dar. Für diesen Film hat er sich mit Götz George („Der Totmacher“) auch einen wirklich guten deutschen Schauspieler an Bord geholt.

 

Was wäre, wenn der berüchtigte SS-Arzt Dr. Josef Mengele, der in Auschwitz zehntausende Menschen in den Tod geschickt hat und abscheuliche Experimente an Gefangenen durchführte, noch leben würde? Und was wäre, wenn er sich vor Gericht für seine Verbrechen verantworten müsste? Diesen Fragen geht der Film nach und zeigt wie der junge Anwalt Peter Rohm (Kai Wiesinger) vom 87-jährigen Mengele (Götz George), der seinen Tod nur vorgetäuscht hat, kontaktiert wird. Der „Todesarzt“ möchte nach Deutschland zurückkehren, um sich vor Gericht für seine Taten zu rechtfertigen.

Widerstrebend nimmt Rohm das Mandat an und ist ab sofort zwischen zwei Fronten. Noch erstaunlicher ist aber, dass Mengele keineswegs auf Schuldig plädieren will, sondern erklärt, er habe nur aus Barmherzigkeit gehandelt...

 

Roland Suso Richter ist mit „Nichts als die Wahrheit“ ein Film gelungen, der gekonnt den Balanceakt schafft, den Zuschauer in seiner festgefahrenen Meinung zu erschüttern, um ihm danach genau das wieder vorzuwerfen.

Dass Richter dazu die Figur Mengele verwendet – einer der berüchtigsten Kriegsverbrecher, der sich nie für seine Verbrechen verantworten musste – und die Handlung in die Gegenwart versetzt, ist zudem sehr interessant.

Was den Film aus dem Rest der deutschen Produktionen herausreisst, sind neben der guten Kamera- und Regiearbeit vorallem die Darsteller. Diese, besonders Götz George, schaffen eine enorme Intensität und können sich somit locker mit amerikanischen Produktionen messen. George verleiht dabei Mengele eine unheimliche Note, die ab und zu an das Spiel Anthony Hopkins’ in „Das Schweigen der Lämmer“ erinnert. Dieser Umstand wird noch unterstützt durch das Glasgefängnis, in dem Mengele während der Verhandlung sitzt. Es ist allerdings kein billiges Plagiat des Filmes von Jonathan Demme und auch Mengele wird nicht verherrlicht oder mystifiziert.

Lediglich beim Schnitt kann man Kritik ansetzen, da besonders in der ersten Hälfte mehrere Zeitsprünge, die durch einfache Schwarz-Überblendungen vorgenommen werden, für Irritation sorgen und den Erzählfluss ins Stocken bringen. Durch das starke Drehbuch kann man aber über diesen Umstand wohlwollend hinwegsehen.

 

Dem Regisseur gelingt es im Verlaufe des Filmes geschickt die Sympathie des Zuschauers auf die Seite des Anwalts Peter Rohm zu lenken – und damit zwangsläufig auch ein wenig auf die Seite Mengeles. Der Zuschauer möchte ja nicht, dass seine Identifikationsfigur (Rohm) den Prozess verliert und versucht somit (wenn auch nur unbewusst) Punkte für die Verteidigung des Todesarztes zu finden.

Die Argumentation Rohms ist zudem sehr überzeugend und so tritt er auch den Zeugen, die von Mengeles Schreckenstaten berichten, mit Selbstsicherheit gegenüber.

Mit seinem Ende schafft es der Film dem Zuschauer endgültig den Boden unter den Füssen wegzuziehen; indem er das leichte Verständnis, das man bis zu diesem Zeitpunkt für Mengele hat, abermals widerlegt und klar macht, dass der SS-Arzt keinesfalls ein mildes Urteil verdient.

Die dichte Erzählstruktur tut noch ihr übriges und so ist „Nichts als die Wahrheit“ bis zum Schluss spannend und, ohne gross mit Effekten um sich zu werfen, zutiefst verstörend. Wie leicht nationalistisches Gedankengut überzeugen kann, wird hier erschreckend dargestellt und Richter zeigt, dass aus Deutschland doch Filme kommen können, welche die Beschäftigung mit ihrer eigenen Vergangenheit neu interpretieren.

 

Fazit:

Es gibt sie doch. Deutsche Filme, die sich über neue Wege mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandersetzen. Roland Suso Richter schafft es mit diesem fiktiven Gedankenspiel den Zuschauer zum Nachdenken, Hinterfragen, Mitfiebern und Erschaudern anzuregen. Hauptdarsteller Götz George läuft dabei zur Höchstform auf und stellt einen erschreckend realistischen Mengele dar, wodurch man auch über die wenigen erzähltechnischen Mängel hinwegschauen kann. Das Ende des Filmes lässt den Zuschauer dann ernüchtert zurück, wie es selten ein Film mit dieser Thematik schafft.

 

Veröffentlichung:

Die Veröffentlichung von Capelight hat ein Wendecover ohne FSK-Logo. Auf der Disc sind nur wenige Extras (Audiokommentar / Interview). Die Ton- und Bildqualität ist gut und somit ist dies eine passable Ausgabe, die man sich kaufen kann.

 

Bewertung: 7.5/10

Autor | Yves Albrecht

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